Obwohl das Leben gerade alles andere als einfach ist, als Neo-Selbstständiger fehlt einfach in allen Taschen das Geld, fühle ich mich so leicht wie schon lange nicht, vielleicht sogar wie noch nie. Den Zustand, den Wunsch mit dem Selbstständigsein endlich durchgezogen zu haben, hätt ich mir niemals so erdend vorgestellt. Auf der Reise durch Neuseeland, ein paar Monate nach dem Ausscheiden aus meinem ersten, 15 Jahre andauernden, Job in der Softwareentwicklung und Managementberatung hatte ich mit Fineliner die Umrisse seitenfüllender Blockbuchstaben in mein damals noch kleines Notizbuch gezeichnet: LEICHTIGKEIT. Die wünschte ich mir damals.
Ich tat alles dafür. Mehrmals Psychotherapie bei insgesamt drei Therapeut:innen, mehrmals Branchenwechsel, mehrmals Umziehen, exzessives Schreiben, ein Buch herausbringen, an weiteren arbeiten, meine hohe Kante aufbrauchen, mehrmals auf die Kontostandsnull hinarbeiten, aber jedes Mal merken, dass jedes Mal von irgendwo wieder Geld, Stipendien, Aufträge, sogar Jobs daher kommen, diverse Achtsamkeitstrainings verschiedenster Schulen und Traditionen gelernt, inklusive des über Jahre Praktizierens, über 300 Bücher lesen und Notizen darin anbringen, die ich in den seltensten Fällen ernte – der Hodenkrebs mit der Knochenmetastase zwei Jahre später lassen die ganzen Bestrebungen irgendwie nur noch absurder erscheinen.
Und dann, sechs Jahre nach der Chemotherapie mache ich mich im dritten Anlauf endlich selbstständig, jetzt das Arbeiten am nächsten großen Projekt, die hunderten erfolglosen Versuche, es finanziert zu bekommen, das Rennen nach Aufträgen, das Halten der wenigen Vorträge, um mich wenigstens ein bisschen über Wasser zu halten und sieben Jahre nach der Chemotherapie kann ich in vollkommen in mir ruhender Gelassenheit sagen: Es war alles andere als einfach, doch ich hab sie gefunden, die Leichtigkeit.